Wie groß ist die Bereitschaft, im Notfall zu helfen?

Veröffentlicht am 10. November 2021. Lesedauer 5min

Eine Person läuft durch die Stuttgarter Fußgängerzone. Lautes Herzklopfen ist zu hören. Sie muss verstärkt blinzeln. Die Bäume, bis eben noch fest im Boden verwurzelt, scheinen nun über ihr zu schweben. Sie schließt ihre Augen, aus Blinzeln wird dauerhafte Dunkelheit. Egoperspektive. Wir sind es, die am Boden liegen. Unser Herz hat ein Problem.

Bereits nach drei Minuten ohne Sauerstoff sterben Gehirnzellen dauerhaft ab. Wir schweben in Lebensgefahr und brauchen dringend Hilfe! Doch wie viele Menschen sind bereit, zu helfen? Studentinnen der Hochschule der Medien in Stuttgart wollen es genau wissen: sie fragen Passanten nach deren Bereitschaft, im Notfall Erste Hilfe zu leisten. Trauen sie sich eine Herzdruckmassage zu? Sarah Anthony, Sarah Liebers und Meg Löffler haben sich dafür eine Reanimationspuppe von PRIMEROS geborgt. Diese liegt nun in der belebten Stuttgarter Fußgängerzone.


Victoria Saur versucht trotz ihrer Angst, etwas falsch zu machen, die Herz-Lungen-Wiederbelebung – und macht damit alles richtig.


Leben retten – leichter als gedacht

Passantin Victoria Saur fühlt sich anfangs nicht bereit für eine Herzdruckmassage: „Man hat oft Angst davor, mehr zu schaden als zu helfen. Obwohl ich auch von Medizinern weiß, dass es meist besser ist, zu agieren, statt abzuwarten.“ Sie versucht sich dann doch noch an der Little Anne und führt die Reanimation, trotz ihrer Unsicherheit, gut durch.

Die nächsten Passanten halten an. Bernd Gröber und seine Frau Marion möchten helfen. Bernd war in seiner Jugend Sanitäter. Sein letzter Erste Hilfe Kurs ist aber 30 Jahre her. Genau wie seine Vorgängerin Victoria Saur, entkleidet er den Oberkörper der Übungspuppe, bevor er seine Handballen auf die Mitte des Brustkorbs legt und 30-mal drückt. In Zukunft möchte er regelmäßig einen Erste Hilfe Kurs besuchen, „nur für alle Fälle“.

Die beiden und weitere Freiwillige zeigen, dass eine zuvor gelernte Herz-Lungen-Wiederbelebung auch Jahre später noch im Gedächtnis bleibt. Dass aber die Bedenken, richtig zu agieren, mit dem Abstand zum letzten Erste Hilfe Kurs, größer werden.


Dennis Fetoshi im Interwiev mit den Studentinnen der Hochschule für Medien in Stuttgart.


Der einzige Fehler ist Nichtstun

Viele Menschen haben Angst, in einem Notfall etwas falsch zu machen, Verantwortung zu übernehmen oder fürchten rechtliche Konsequenzen. Dabei sind diese Ängste meist unbegründet. Dennis Fetoshi beruhigt: „das Einzige, was du falsch machen kannst, ist nichts zu machen.“ Den Menschen diese Tatsache nahezulegen, ist PRIMEROS ein großes Anliegen. Denn die Bereitschaft, zu helfen, ist statistisch gesehen viel geringer als uns lieb ist. Im Erste Hilfe Kurs zeigen die Ausbilder daher, wie einfach es ist, gute und schnelle Hilfe zu leisten. Und sie nehmen den Teilnehmern vorhandene Ängste zu den verschiedensten Themen im Bereich der Notfallrettung. Die Ziele sind klar: die Statistik zu ändern und damit die Chancen zu erhöhen, dass Menschen sich trauen, zu helfen, wenn dies benötigt wird. Und damit im schlimmsten Fall sogar Leben retten.

Kamerateam filmt im Erste Hilfe Kurs

Sarah Liebers und ihr Team begleiten den Ausbilder bei einem Erste Hilfe Kurs im PRIMEROS Notfalltrainingszentrum in Stuttgart. Die Frauen drehen im Rahmen eines Hochschulprojekts und veröffentlichen das Filmmaterial in dem Video „Erste Hilfe - Keine Frage des Könnens“ auf der Youtube-Seite ihres edit Magazins.


Die Herzdruckmassage kann mit der Unterstützung eines Defibrillators eine noch höhere Überlebenschance für den Patienten bieten.


Und zu filmen gibt es einiges: Die Teilnehmer bekommen eine rundum Versorgung an nötigem Wissen sowie praktischen Übungseinheiten zu den essenziellen Themen in der Ersten Hilfe. Ganz hoch im Kurs steht die Herzdruckmassage. Durch das Üben an der Reanimationspuppe, können auch die letzten Bedenken überwunden werden. Bedarf es einer Anwendung des Gelernten in der Realität, ist dieses nach der Übung schnell abrufbar.

So geht die Reanimation

Wie funktioniert die Herzdruckmassage nun genau? Zuerst brauchen wir einen Lebensretter. Und zwei Hände. Wenn dann noch weitere Hilfe in der Nähe ist, wäre das natürlich großartig. Diese kann den Rettungsdienst verständigen und einen Defibrillator holen. Und nach fünf Reanimations-Zyklen übernehmen. Ein Helferwechsel ist deshalb ratsam, weil es die Retter stark entlastet.

Der Lebensretter checkt bei einer bewusstlosen Person mit Überstrecken des Kopfes deren Atmung und stellt fest, dass keine normale Atmung vorhanden ist. Er wählt die Notrufnummer 112 und kniet auf Höhe des Brustkorbs des Regungslosen auf dem Boden. Der Oberkörper wird entkleidet. Mit durchgestreckten Armen und beiden Händen mittig zwischen den Brustwarzen einer gedachten Männerbrust, drückt der Retter die Handballen 5 cm tief in die Mitte des Brustkorbs. Dies wiederholt er 30-mal, ehe er 2-mal beatmet. Er wiederholt das Vorgehen so lange, bis Ablösung in Form eines weiteren Helfers oder des Rettungsdienstes kommt.

PRIMEROS und zahlreiche andere Unternehmen und Organisationen unterstützen die Petition „ich rette dein Leben“. Das Ziel ist klar: spätestens ab der 7. Klasse soll bundesweit verpflichtender Unterricht in der Wiederbelebung stattfinden. „Um die Kinder schon dafür zu sensibilisieren, da passiert was, ich kann das und ich fühl mich auch fit, das zu tun“, sagt Dennis Fetoshi. Studien belegen - und Länder wie Dänemark gehen als bestes Beispiel voran - dass die Reanimationsquote durch Laien auf diese Weise steigt. Hier gelangen Sie zum dazugehörigen Beitrag.


Sarah Anthony, Max, Lennart, Paula, Sarah Liebers, Meg Löffler und Dennis Fetoshi (von links) sind auch beim Gruppenbild total in ihrem Element.


Die Kursteilnehmer, das Kamerateam sowie Ausbilder Dennis Fetoshi stehen nochmal fürs Gruppenbild zusammen. Nach diesem ereignisreichen Tag voller aufgefrischter und neuer Erkenntnisse, schauen sie zufrieden in die Kamera. Was alle gemeinsam haben? Sie wollen den Zuschauern des Kurzfilms und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ins Bewusstsein rufen, dass Leben retten eine fantastische Sache ist. Und einfacher als man oft denkt.


Ein Dank geht an das Edith Magazin, für diese wichtige Botschaft, dass jeder helfen kann.


Wir befinden uns wieder in der Innenstadt. Egoperspektive. Wir liegen unter einem Blätterkleid auf dem Boden und schlagen die Augen auf. Eine bebrillte Frau kniet über uns gebeugt und hört jetzt auf, mit den Händen in unseren Brustkorb zu drücken. Sie lächelt erleichtert. Wir lächeln auch. Alles ist gut.

Keywords: Leben retten, Rettung, Erste Hilfe, Erste Hilfe Kurs, Ausbilder, Experte, Trainer, Training, Kurzfilm, Videodreh, Drehtag, Kamera, Kamerateam, Stuttgart, Passanten, Herz-Lungen-Wiederbelebung, Reanimation, Herzdruckmassage, Bewusstlosigkeit, Anzeichen, Symptome, Maßnahmen, Lebensretter.