Resusci-Anne. Die Unbekannte aus der Seine und die Geschichte hinter ihrer Maske
Wohl kaum ein Gesicht wurde so oft geküsst wie das ihre. So der Mythos um die Reanimationspuppe Little Anne. Sie assistiert in Erste-Hilfe-Kursen und ist natürlich nicht zum Küssen da, sondern zur optimalen Übung der lebensrettenden Herz-Lungen-Wiederbelebung. Einen spannenden geschichtlichen Hintergrund hat sie dennoch (und den wenigsten ist er bekannt). Davon soll dieser Beitrag handeln. Aber Achtung: bitte lesen Sie nur weiter, wenn Sie sich nicht davon abhalten lassen, danach weiterhin die Beatmung an der Little Anne zu üben.
Wer war die Frau hinter der Maske der Little Anne?
Es war einmal eine junge, gutaussehende Frau, die Ende des 19. Jahrhunderts in Paris ertrunken ist. Ihr Körper wurde aus der Seine geborgen und ins Leichenschauhaus Morgue gebracht. Um ihre Angehörigen zu finden, nahm ein Bestatter einen Abdruck ihres Gesichts. Solche sogenannten Totenmasken aus Wachs waren damals recht üblich. Doch die der „Unbekannten aus der Seine“ war besonders. Es war „das Gesicht der jungen Ertränkten, das man in der Morgue abnahm, weil es schön war, weil es lächelte, weil es so täuschend lächelte, als wüßte es“, schrieb der Lyriker Rainer Maria Rilke in seinem einzigen Roman. Er befand sich etwa um die Zeit ihres Funds in Paris und musste von der „Mona Lisa aus Wachs“ gehört haben. Dieses Lächeln, von dem Rilke schrieb, ist für einen Menschen, der aus dem Wasser geborgen wird, recht ungewöhnlich. Sie sah wohl sehr friedlich aus.
Das künstlerische Paris sorgte dafür, dass ihre Maske mehrfach dupliziert und in Ateliers erhalten blieb. L´onconnue de la Seine, „die Unbekannte aus der Seine“ hat ihre eigene Wikipedia Seite und neben Rilke und zahlreichen weiteren Autoren widmete ihr Schriftsteller Max Frisch eine Figur in einer Farce. Doch wie kam es dazu, dass sie zum Gesicht der Reanimationspuppe Little Anne wurde?
Die Geschichte hinter der Maske der Little Anne
Der Anästhesist Peter Safar gilt als Begründer der modernen Reanimation. Mitte des 20. Jahrhunderts konnte er durch Untersuchungen belegen, wie effektiv die Herz-Lungen-Wiederbelebung ist. Zu Übungszwecken ließen sich seine Kollegen freiwillig betäuben, was natürlich nicht optimal war. Es brauchte eine Puppe, die in Form eines menschlichen Rumpfes die deutlich bessere Alternative darstellte.
Zu dieser Zeit war Asmund Laerdal dabei, Spielzeug aus weichem Plastik statt wie zuvor aus Holz herzustellen. Er war persönlich an einer Übungspuppe interessiert, da sein Sohn beinahe ertrunken wäre. Bei einer Verwandten sah er die Maske der „Unbekannten aus der Seine“ und entschied, diese zum Gesicht der Puppe zu machen.
Mit vereinter Expertise entwickelten die Männer ab 1958 die Resusci-Anne aus Kunststoff. Eine Puppe, an der nun geübt wurde, wie Menschen bei einem Atemstillstand ins Leben zurückgeholt werden konnten. Die Resusci-Anne oder CPR-Annie (cardiopulmonary resuscitation) ist eine standardisierte Trainingspuppe, an der Teilnehmer in Erste-Hilfe-Kursen lernen zu Reanimieren. Ihr Brustkorb ähnelt dem eines leibhaftigen Menschen. Eine eingebaute Lunge sorgt dafür, dass er sich beim Beatmen realistisch hebt und senkt. Und das Gesicht der Puppe ist jenes der „Unbekannten aus der Seine“. Laerdal hat durch den Erfolg mit der Little Anne der Spielzeugherstellung den Rücken gekehrt. Noch heute stellt die Firma Medizinprodukte her. Im Erste-Hilfe-Kurs bekommt jeder Teilnehmer sein eigenes Exemplar der Maske, um die Beatmung zu üben.
Dadurch hat „die Unbekannte aus der Seine“ auf eine etwas andere Art wohl doch überlebt. Und hilft durch das Erlernen der modernen Wiederbelebung in Erste-Hilfe-Kursen, das Leben zahlreicher Menschen zu retten.
In dieser Rubrik stellen wir interessante und eher unbekannte Fakten aus der Welt der Ersten Hilfe vor. Ein neuer Beitrag von „247 Dinge, die Sie über die Erste Hilfe wissen sollten“ erscheint regelmäßig im PRIMEROS Blog.
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